Lass mich mit einer kurzen Geschichte anfangen…
Lisa ist 24 Jahre alt, gebürtige Wienerin und vor Kurzem in ihre erste eigene Wohnung gezogen. Dadurch, dass sie während ihres BWL-Studiums bei ihren Eltern gelebt hat und nebenbei ein wenig gearbeitet hat, konnte sie sich 10.000€ ansparen. Die junge Akademikerin hat zwar immer wieder mitbekommen, dass es wichtig sei, sich mit den Themen Geldanlage und Versicherungen auseinanderzusetzen, allerdings gibt es für sie wenig Uninteressanteres auf dieser Welt als das Einlesen in Finanzprodukte und Versicherungsbestimmungen – daher wird das Thema vorerst beiseitegeschoben.
Als sie das nächste Mal zum Abendessen ihre Eltern besuchen geht, kommen sie auf dieses Thema zu sprechen und haben auch direkt eine Lösung für sie parat. „Warum gehst du nicht zum Heinrich? Der macht unsere Versicherungen und Altersvorsorge schon seit 10 Jahren. Ruf den mal an!“. „Gar keine schlechte Idee“, denkt sich Lisa. So müsste sie sich nicht selbst darum kümmern und könnte das in die Hände eines Experten legen. Und wenn ihre Eltern ihr das empfehlen, kann es ja nicht schlecht sein.
Gesagt, getan. Lisa ruft Heinrich an und sie machen sich direkt einen ersten Termin aus. In ihrem ersten Gespräch stellt sich Heinrich als „unabhängiger Vermögensberater“ vor und sie unterhalten sich größtenteils über ihre finanzielle Situation und ihre Ziele. Die Jungwienerin würde die 10.000€ gerne so anlegen, dass sich das Kapital vermehrt, aber sie dennoch darauf zugreifen kann, falls sie in den kommenden Jahren den Führerschein nachholen wollen würde. Zudem würde sie gerne mehr über die Themen Altersvorsorge und Arbeitskraftabsicherung wissen. Am Ende machen sie sich einen Folgetermin aus, in welchem passende Produktempfehlungen ausgesprochen werden sollen, und Lisa geht nach etwa einer Stunde nach Hause.
Eine Woche später kommt es dann zum Beratungstermin. Sie war schon ganz gespannt, welche Anlagelösungen der Finanzberater für sie vorbereitet hat. Das Ergebnis sieht folgendermaßen aus:
5.000€ und 50€ pro Monat sollen in einen Investmentfond investiert werden, für mittelfristige Renditen und ihren Führerschein.
5.000€ und 50€ pro Monat gehen in eine fondsgebundene Lebensversicherung, um für ihre Pension vorzusorgen.
15€ pro Monat für eine Haushaltsversicherung, um ihren Wohnungsinhalt abzusichern.
35€ pro Monat für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, um ihre Arbeitskraft abzusichern.
20€ pro Monat für eine Rechtsschutzversicherung, dass sie im Fall der Fälle rechtlichen Beistand erhält.
In Summe kostet sie das Ganze 10.000€ einmalig und 170€ im Monat.
Da Lisa dem Experten vertraut und sich seine Argumente schlüssig anhören, ist sie einverstanden und unterzeichnet, zufrieden, dass das Thema damit erledigt ist, alle Anträge. Und das Beste kommt erst: Sie muss für diese umfangreiche Beratung nicht einmal etwas zahlen, da Heinrich „von seinen Kooperationspartnern bezahlt wird“. Selbstsicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, verlässt Lisa das Büro, ohne zu wissen, dass sie soeben über 12.000€ an Provisionen an den Vermögensberater bezahlt hat. (Du hast richtig gelesen. Die genaue Aufschlüsselung folgt gleich.)
Lisa ist in dieser Geschichte zwar fiktiv, jedoch kommt dir dieses Szenario vermutlich sehr bekannt vor. Mir auf jeden Fall, da uns immer wieder Menschen von solchen und ähnlichen Erfahrungen mit Vermögens- und Versicherungsberatern erzählen. Damit dir nicht das Gleiche passiert, werden wir alle Karten auf den Tisch legen und dich über die genaue Provisionshöhe der einzelnen Finanzprodukte aufklären. Los geht´s…
Abschlussprovision vs. Bestandsprovision
Grundsätzlich ist es wichtig, die Provisionsarten zunächst voneinander zu unterscheiden. Es gibt…
… Abschlussprovisionen, welche einmalig bei Vertragsabschluss für den Verkauf von Produkten ausbezahlt werden. Diese Provisionsart ist bei Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen üblich.
… Bestandsprovisionen, welche jährlich für den Service von gewissen Versicherungen, wie z.B. Haushalts-, Unfall- und Rechtsschutzversicherungen bezahlt werden.
Abgesehen davon, dass Abschlussprovisionen direktes Geld für den Berater bedeuten, unterscheiden sie sich auch von Bestandsprovisionen in der sogenannten Stornohaftung. Das heißt, dass wenn gewisse Verträge vor der Stornohaftungszeit gekündigt werden, ein Teil der Provision vom Berater wieder zurückbezahlt werden muss. Bei Lebensversicherungen beträgt diese Haftungszeit 5 Jahre. Wenn also nach 1 Jahr gekündigt wird, muss der Berater 80% der Provision zurückbezahlen. Bei 2 Jahren 60%. Bei 3 Jahren 40%. Und so weiter.
So viel zum Vorspiel, kommen wir jetzt zum Hauptgang …
Wie hoch sind Provisionen in Finanzprodukten?
Provisionen bei Haushalts-, Unfall- und Rechtsschutzversicherungen
Der Standardprovisionssatz beträgt etwa 25% Bestandsprovision. Wenn Lisa beispielsweise 15€ pro Monat für ihre Haushaltsversicherung bezahlt, beinhaltet das 3,75€ an Provisionen im Monat (= 45€ im Jahr). Das gleiche gilt für Unfall-, Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherungen.
Provisionen bei privaten Krankenversicherungen
Bei privaten Krankenversicherungen wird in der Regel nur eine einmalige Abschlussprovision ausbezahlt. Diese beträgt zwischen 3 und 12 Monatsprämien. Wenn du also 50€ Versicherungsprämie im Monat hast, bezahlst du zwischen 150€ und 600€ an Abschlussprovisionen.
Provisionen bei KFZ-Versicherungen
KFZ-Versicherungen haben einen niedrigeren Provisionssatz. Hier wird nur eine jährliche Bestandsprovision in Höhe von 7% bei der Haftpflichtversicherung und 15% bei der Kaskoversicherung ausbezahlt.
Provisionen bei Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen
Die beiden Lieblinge der Versicherungsbranche haben auch zufälligerweise den höchsten Abschlussprovisionssatz mit 5% der Beitragssumme (also alle Zahlungen, die innerhalb der Vertragszeit eingehen). Das bedeutet, wenn Lisa eine Lebensversicherung mit 5.000€ einmaliger Zahlung und 50€ im Monat abschließt, zahlt sie in Summe 1.450€ Abschlussprovisionen direkt an den Berater (5.000€ einmalig + 50€ Monatsprämie * 12 Monate * 40 Jahre = Gesamtbeitrag von 29.000€; davon 5% Provision ergibt 1.450€).
Provisionen bei Investmentfonds
Der genaue Provisionssatz ist bei Fondssparplänen nicht einfach pauschal zu beantworten und variiert je nach Fond und Fondsgesellschaft. Grundsätzlich fallen auch hier zwei Arten von Provisionen an:
Der Ausgabeaufschlag ist im Prinzip die Abschlussprovision und beträgt bis zu 5% der Anlagesumme. Dieser Betrag wird bei jeder Neuanlage vom Investitionsbetrag abgezogen und an den Berater ausbezahlt. Bei einem Fondssparplan in Höhe von 50€ sind das beispielsweise 2,50€ im Monat.
Die Verwaltungsgebühren sind im Prinzip die Bestandsprovisionen. Diese betragen bis zu 2% des Depotwerts im Jahr und werden geteilt zwischen Fondsgesellschaft und Berater. Wenn der Depotwert beispielsweise 5.000€ beträgt, fallen zusätzlich zum Ausgabeaufschlag jährliche Kosten in Höhe von 100€ an.
Ein Beispiel dazu: Wir nehmen hier mal das Vorzeigeprodukt der DWS den DWS Akkumula LC (ISIN: DE0008474024) als Beispiel. Dieser beinhaltet 5% Ausgabeaufschlag und 1,45% Verwaltungsgebühren. Eine exakte Berechnung ist an dieser Stelle nicht möglich, da der Anteil der Verwaltungsgebühr, der an den Berater geht, nicht transparent ersichtlich ist. Der Durchschnittswert beträgt hier allerdings um die 20%. Wenn diese Werte also auf Lisas Fondssparplan übertragen werden, ergibt das eine Gesamtprovision von etwa 5.700€. (Die Rechnung erspar ich dir an dieser Stelle, da die genaue Kalkulation etwas komplizierter und umständlicher ist.)
Zusammenfassung

Abbildung 1: Übersicht zu Provisionen bei Versicherungen und Geldanlage. (Die Angaben zu den Provisionskosten wurden aus den Produktinformationen und Courtageübersichten von diverse Versicherungs- und Fondsgesellschaften entnommen. Für die Richtigkeit der Angaben wird keine Haftung übernommen.)
Wie viel Provisionen zahlt Lisa in unserem Beispiel?
Wenn wir das alles jetzt zusammenfassen, ergibt das in Lisas Beispiel folgendes Ergebnis (gerechnet bis Pensionsantrittsalter von 65 Jahren, also noch 40 Jahre):
Investmentfonds mit 5% Ausgabeausschlag und 0,29% Bestandsprovision (=20% von 1,45% Verwaltungsgebühren): Bei einer einmaligen Zahlungen von 5.000€ und einem Sparplan mit 50€ ergibt das über die gesamte Laufzeit eine Gesamtprovision von etwa 5.700€.
Fondsgebundene Lebensversicherung mit 5% der Beitragssumme als Abschlussprovision: Bei einer einmaligen Zahlungen von 5.000€ und einem Sparplan mit 50€ ergibt das eine Abschlussprovision von 1.450€.
Haushaltsversicherung mit 25% Folgeprovision: Bei einer monatlichen Versicherungsprämie in Höhe von 15€ ergibt das über die gesamte Laufzeit eine Gesamtprovision von 1.800€.
Berufsunfähigkeitsversicherung mit 5% der Beitragssumme als Abschlussprovision: Bei einer monatlichen Versicherungsprämie in Höhe von 35€ ergibt das eine Abschlussprovision von 840€.
Rechtsschutzversicherung mit 25% Folgeprovision: Bei einer monatlichen Versicherungsprämie in Höhe von 20€ ergibt das über die gesamte Laufzeit eine Gesamtprovision von 2.400€.
Wenn wir nun alle Zahlen addieren, ergibt das folgende Gesamtprovision: 12.200€
Mehr als du erwartet hast, oder? Nun, damit stehst du nicht allein dar. Da das jetzt ganz schön viel Rechnerei war und bei dir vermutlich gerade die Migräne ansetzt (bei mir zumindest), kann ich dich beruhigen: Ab hier wird nichts mehr gerechnet. Versprochen.
Warum sind Provisionen in der Finanzberatung problematisch?
Kurzgesagt, haben hohe Provisionen für dich als Konsument zwei große Nachteile:
Die Produkte werden teurer: Natürlich könnte man argumentieren, dass du dafür auch eine Leistung bekommst und das stimmt auch (zumindest für Bestandsprovisionen). Aber 5% Beitragssumme als Abschlussprovision für den Verkauf einer Lebensversicherung sind doch ganz schön happig. Da musst du erstmal 10 – 15 Jahre einzahlen, bis du aus dem Minus raus bist.
Provisionen machen eine unabhängige Beratung nicht möglich: Machen wir uns nichts vor. Es gibt deutlich günstigere Altersvorsorgeprodukte als Lebensversicherungen und Fondssparpläne. Und auch nicht jeder Mensch braucht eine Berufsunfähigkeits-, Rechtsschutz- oder Unfallversicherung. Das wirst du allerdings von den wenigsten Vermögensberatern hören, da mit den Alternativen (z.B. ETF) einfach kein Geld verdient werden kann.
Was kannst du dagegen tun?
Eines vorweg: Es geht mir nicht darum, Vermögensberater und Versicherungsvermittler schlecht zu reden. Viele von ihnen machen einen guten Job und können nichts dafür, dass das System auf Provisionen ausgelegt ist. Denn du kommst leider kaum drum herum Provisionen zu bezahlen. Egal, ob du deine Verträge über einen Makler, Agenten, Vermögensberater oder ein Vergleichsportal abschließt, Provisionen sind fast immer mit eingerechnet. Heißt das, dass du nichts dagegen tun kannst? Nein, es gibt auch Alternativen zur klassischen Provisionsberatung:
Option A – du kümmerst dich selbst, um deine Finanzen. Anstatt auf teure Anlageprodukte zu setzen (z.B. Lebensversicherungen, Fondssparpläne) kannst du dich selbst ein wenig in das Thema einlesen und in provisionsfreie Produkte (z.B. ETFs, Aktien) investieren. Aber Achtung: Das solltest du nur machen, solange du weißt, was du tust. Im Versicherungsbereich kommst du allerdings sehr schwer an sogenannte „Nettopolizzen“ (= provisionsfreie Versicherung mit günstigerer Prämie), aber bei den Gesellschaften einfach mal anfragen kostet ja nichts, außer Zeit. Beachte dabei allerdings, dass du dafür dann auch keine Betreuung und keinen Service bekommst.
Option B – du lässt dich auf Honorarbasis beraten. Honorarberatungen arbeiten auf provisionsfreier Basis und haben meist Sondervereinbarungen mit den Produktpartnern, dass sie Nettopolizzen vermitteln können. Anstatt durch Provisionen, werden sie von dir direkt bezahlt und können dich daher auch wirklich provisionsunabhängig beraten. Zugegeben, es gibt in Österreich nicht viele Honorarberatungen, aber sie sind im Kommen. Wir gehören hier ebenfalls dazu (und bieten eine kostenlose und unverbindliche Erstberatung an 😉).
Aber selbst, wenn beide Optionen aus bestimmten Gründen nicht für dich in Frage kommen, spricht auch grundsätzlich nichts gegen eine klassische Provisionsberatung, vorausgesetzt du hast einen guten Berater, der wirklich deine Interessen im Sinn hat und nicht die Provisionszahlungen. Du solltest bei langfristigen Entscheidungen (und hierzu gehört z.B. deine Altersvorsorge) jedoch ein gesundendes Maß an Skepsis mitbringen und dir eine Zweit- oder sogar Drittmeinung einholen. Denn eine Sache ist die Beratung sicherlich nicht: unabhängig.

Hratsch Ohanjan
17.01.2022